Der Mercedes-Benz SSKL, ein äußerst erfolgreiches Fahrzeug der 1920er und frühen 1930er Jahre, hat seine Schuldigkeit getan – er fuhr von Erfolg zu Erfolg. 1934 bricht eine neue Zeit an: Das Projekt heißt W 25, und als Premierentermin für das Fahrzeug fasst Daimler-Benz das Avus- und das Eifelrennen im Vorfeld des Grand Prix von Frankreich am 1. Juli 1934 ins Auge, der zweite Große Preis der Saison. In Frankreich zu siegen wäre großartig, fast auf den Tag zwanzig Jahre nach dem Dreifach-Triumph von Lyon der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG). Zwar gewinnt schließlich ein Alfa Romeo Tipo B („P3“) den Lauf in Montlhéry, doch verkörpert der W 25 den letzten Stand der Dinge.
Verantwortlich für das Projekt ist Hans Nibel, für das Chassis Max Wagner, für den Motor das Duo Albert Heeß und Otto Schilling. In der Experimentalabteilung unter Fritz Nallinger prüft Georg Scheerer, einer der Helfer bei der Geburt der Kompressorwagen der DMG, die Maschinen auf Herz und Nieren. Otto Weber baut sie zusammen, Jakob Kraus montiert die Chassis – beide sind Veteranen des DMG-Ausflugs nach Indianapolis 1923. Kräftige Impulse gibt der Serienwagen Typ 380, vorgestellt im Februar 1933 auf der Berliner Automobil-Ausstellung. Er setzt neue Standards mit seiner unabhängigen Radaufhängung ringsum an Doppel-Querlenkern vorn, einer Schwingachse hinten sowie seinem Reihen-Achtzylinder mit integriertem Kompressor.
Der Rennwagenmotor, ein – auch aus heutiger Sicht hochmoderner – Vierventiler mit zwei obenliegenden Nockenwellen, an dem jeweils vier Verbrennungseinheiten mit dem Zylinderkopf und den Kühlwassermänteln verschweißt sind, bringt 211 Kilogramm auf die Waage. Der Kompressor sitzt vorn und beschickt zwei Druckvergaser mit komprimierter Luft. Der Tank fasst 215 Liter und wird je 100 Kilometer um 98 Liter erleichtert. Die vier Fahrstufen und den Rückwärtsgang legt der Pilot per Kulissenschaltung mit Verriegelung rechts neben dem Fahrersitz ein.
Zunächst einmal läuft im Mai 1933 probehalber – wie auch später häufig – ein Einzylinder auf dem Prüfstand. Ein kleines Roots-Gebläse aus einem Mercedes-Benz Serienfahrzeug von 1922 bläst komprimierte Luft in den Steigstromvergaser. Der Fahrzeugrahmen besteht aus zwei Längsträgern im U-Profil mit Querverstrebung, aus Gewichtsgründen wie am SSKL vielfach durchbohrt. Die Karosserie mit ihren vielen Kühlschlitzen wird per Hand aus Aluminium gehämmert. Die Aufhängungen sind aerodynamisch umkleidet, ein schlichter Grill mit vertikalen Stäben schließt den Aufbau nach vorn, ein markant sich verjüngendes Heck nach hinten ab.
Ein erster Test auf öffentlichen Straßen
Die Einsatzautos für 1934 sind Anfang Mai komplett. Am Donnerstag vor dem Avus-Rennen am 27. Mai nehmen in aller Herrgottsfrühe Manfred von Brauchitsch, Luigi Fagioli und Rudolf Caracciola Platz an ihren Volants. Trotz dieses erfolgreichen Tests zieht das Management die drei Wagen zurück – sie seien noch nicht rennfertig, heißt es. Premiere würde das Eifelrennen eine Woche später sein, die Geburtsstunde des Silberpfeil-Mythos.
Silberpfeile – das Wort hat Magie
Die griffige Rennwagen-Bezeichnung entsteht in den 1930er Jahren. Mercedes-Benz wechselt zu Beginn der Rennsaison 1934 die Farbe der Grand-Prix-Wagen von Weiß zu Silber. Über das genaue Wann und Wo wird bis heute spekuliert. Überliefert ist die Legende, dass in der Nacht vor dem Start zum Eifelrennen am 3. Juni 1934 die weiße Lackierung von der Aluminiumkarosserie der W 25-Rennwagen entfernt worden sei, um ein Fahrzeuggewicht von 750 Kilogramm zu erreichen.
Ironie der Geschichte
Die 750-Kilogramm-Formel wird geschaffen, um die ausufernden Geschwindigkeiten der Boliden – etwa von Alfa Romeo, Bugatti und Maserati - in den Griff zu bekommen. Erreicht wird genau das Gegenteil, da sich die Konstrukteure generös die Hubräume ausweiten. 280 PS (206 kW) peilen die Mercedes-Benz Techniker für den Erstling M 25 A an, sie rechnen dabei die Literleistung des Zweiliter-Kompressor-Triebwerks M 218 von 1924 hoch, mit dem Caracciola 1926 den Großen Preis von Deutschland auf der Avus gewann. Sie beträgt 85 PS (63 kW), so dass es auf dieser Basis für den neuen Motor eines Volumens von 3360 Kubikzentimeter bedarf. Tatsächlich leistet der Achtzylinder anfänglich 354 PS (260 kW).
Danach gibt es mehrere Ausbaustufen. Die Variante M 25 AB mit 3710 Kubikzentimeter Hubraum leistet 398 PS (293 kW). Dann folgen die Varianten M 25 B mit 3980 Kubikzentimeter und 430 PS (316 kW), C mit 4300 Kubikzentimeter und 462 PS (340 kW) und schließlich 1936 die Version ME 25 mit 4740 Kubikzentimeter und 494 PS (363 kW) – immer bei 5800/min.
Maß aller Dinge sind die beträchtlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten der eigenen Ingenieure, aber auch die der Konkurrenz – beispielsweise arbeitet Ferdinand Porsche bei der Auto-Union an der Leistungssteigerung der dortigen Sechzehnzylinder. Die Bilanz für Mercedes-Benz ist strahlend: Auf das Konto des W 25 gehen 16 Siege in Großen Preisen und weiteren bedeutenden Rennen.
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Technische Daten des Mercedes-Benz W 25 (Silberpfeil)
Motor:
Typ: 8-Zylinder-Viertakt-Otto-Reihenmotor, Kompressoraufladung
Hubraum: 3360 bis 4740 ccm
Leistung: 264 kW / 354 PS bis 363 kW / 494 PS
Antrieb: Hinterradantrieb
Getriebe: 4-Gang Schaltgetriebe
Fahrleistung:
Vmax: von 280 bis über 300 km/h
Abmessungen:
Radstand: 2725 mm
Länge: 4040 mm
Breite: 1770 mm
Höhe: 1160 mm
Leergewicht: 750 kg
Einsatz: 1934 - 1936
Bilder von Mercedes-Benz W 25 (Silberpfeil)
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Fotos: © Daimler
Video von Mercedes-Benz W 25 (Silberpfeil)