Die Geschichte der Kühlerfigur
Die Geschichte der Kühlerfigur begann schon vor über 100 Jahren, um genauer zu sein, im Jahre 1899, als der Engländer und Auto-Narr Lord Montagu of Beaulieu als erster eine St. Christopherus-Figur auf den Kühlergrill seines Daimlers montierte. Königin Marguerita folgte diesem Beispiel 1906, als der selbe „Autoschmuck“ auch auf ihrem Kühlergrill seinen Platz fand. Auto-Enthusiasten auf der ganzen Welt waren begeistert von diesem neuen und besonderem Accessoire und ließen ihre Automobile mit immer ausgefalleneren Modellen verzieren, die irgendwo zwischen Kunst und Kitsch schwankten.
Es wurde ein Vielzahl von Firmen gegründet, die sich auf die Herstellung von Kühlerfiguren spezialisierten und alle möglichen Arten von Vögeln, Löwen, Stieren, Tigern und andere Besonderheiten wie Götter, Boxer oder Skiläufer präsentierten – denn die Philosophie der Autobesitzer war: je Auffälliger, desto besser.
In der Werbebranche nutzte man diesen Boom aus, um Werbung zu machen für Produkte wie Autoöl, Reifen, Lampen und Streichhölzer – um nur einige zu nennen. Dies führte aber zu maßloser Übertreibung und war Grund genug für Autohersteller, renommierte Künstler mit dem Entwurf der Figuren zu beauftragen. So entstanden Figuren, wie die heute weltberühmte „Silver Lady“ von Rolls-Royce – eingeführt 1911 – und die springende Raubkatze von Jaguar in den 30er Jahren.. Weitere stolze Modelle waren der „Fliegende Storch“ der spanischen Marke Hispano Suiza und der tanzende Elefant von Bugatti. Der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt.
Doch woraus entstanden solche Meisterwerke? Nun, die Palette der Materialien reichte von Zink für billige Massenprodukte, über Bronzeguss, Messing und Verchromung bis zur Galvanisierung, ein Prozess wo die Figur zum Schutz mit einer dünnen Silberschicht versehen wurde – natürlich war letzteres nur für Luxuswagen bestimmt. Die erlesensten Figuren waren die aus Glas, hergestellt in den 20er Jahren von dem französischen Künstler und Juwelier René Jules Lalique. Einige dieser Skulpturen konnten sogar indirekt beleuchtet werden, was ihre feinen Details noch mehr zum Vorschein brachte.
All diese Kunstwerke zogen die Aufmerksamkeit von Passanten und vor allem der Autoliebhaber unter ihnen auf sich. Doch hatten sie je einen wirklichen Nutzen? Ja, für eine kurze Zeit, in den 20er Jahren. Sie waren Teil des „Calormeters“, ein Temperaturfühler für das Kühlwasser. Die Wassertemperatur konnte mittels einer roten Quecksilbersäule an der Kühlerfigur bestimmt werden.
Der Niedergang der Kühlerfiguren begann Mitte der 30er Jahren, als die Kühlsysteme unter der Motorhaube verschwanden. Später wurden sie vom Gesetz verboten, denn sie verursachten bei Autounfällen besonders schwere Verletzungen. Nur 3 Kühlerfiguren aus den mehr als 6000 überlebten bis heute: der Mercedes-Stern, das doppelte M von Maybach und die „Flying Lady“ von Rolls-Royce.
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