Von der Benzinkutsche zum Hightech Utility
Der erste Schlüssel steckt schon - eine ungewohnte Situation und ich erinnere mich an die Zeit zurück, in der man zu seinem Auto mehrere Schlüssel bekam. Einer passte in die Türen, einer für den Kofferraum und ein kleiner dritter war für den abschließbaren Tankverschluss zuständig. Heute hat man sich daran gewöhnt, auf den kleinen Sender am Schlüssel zu drücken, um jeglichen Zugang zu seinem Fahrzeug zu erhalten. Und nun das - ein zweiter Schlüssel. Aber immerhin sitze ich auch nicht in irgendeinem Auto - es ist das Auto dieses Jahrtausends - ein Bugatti, und die Sache mit dem zweiten Schlüssel hat schon seine Berechtigung. Er ist zugleich der Schlüssel zu einer völlig neuen Dimension im Automobilbau.
Noch nie hat jemand ein Serienauto vorgestellt, das die unglaubliche Geschwindigkeit von 400 km/h überschreiten kann. 1001 PS sorgen im Veyron für die nötige Kraft, um das zu bewerkstelligen. Und das in einem Volkswagen. Heute werde ich es erfahren, ob die 400 km/h ein Schritt in eine neue mobile Welt oder nur eine technische Spielerei ist, um zu zeigen, was im Automobilbau technisch möglich ist. 14 Sekunden trennen mich nun noch von dem, was noch vor 10 Jahren im Serienautobau als absolut höchst erreichbar galt - die 300 km/h Marke. Ferrari und Porsche lieferten sich mit Supersportwagen wie dem Porsche 959 und dem Ferrari F 40 immer wieder gegenseitig den Ansporn, noch ein wenig schneller zu werden - und nun heute der Bugatti Veyron.
Viel Platz braucht es, um diesen Wagen auszufahren. Bei 400 km/h rast man nicht durch die Welt, die Welt rast an einem vorbei, mit mehr als 100 Metern in der Sekunde. Das ist rund zehn mal schneller als der freie Fall. Was ist das Geheimnis dieses Wunsches des Menschen, immer noch ein wenig schneller zu werden - nun, ich werde es heute erfahren.
Der Tritt aufs Gaspedal kommt dem Abschuss einer Rakete gleich. 100 ... 200 ... 300 ... 350 ... 400... 410 km/h - was, wenn man jetzt wohl den zweiten Schlüssel herauszieht, denke ich, und es ist wie die Sache mit der heißen Herdplatte aus Kindheitserinnerungen. Man weiß, es wird nicht gut gehen, aber man probiert es trotzdem aus. Meine Finger versuchen den Schlüssel ein wenig zu bewegen und dann passiert es ...
Irgendetwas ist anders. Das ich nicht mehr im Veyron sitze und mit mehr als 400 km/h über die leere Autobahn rase, ist mir schon klar. Ich sitze im Gras, es riecht nach frischem Heu und die Sonne scheint. Aber irgend etwas stimmt hier nicht. Es ist still - zu still. Das einzige, das ich höre, ist ein gleichmäßiges Klatschen, untermalt von einem monotonen Ruf, den ich noch nicht genau zuordnen kann. Ich schaue mich um - ein Bauer auf einem Feld - ein Pferd zieht eine Maschine, deren Sinn mir noch nicht ganz klar ist. Eine Peitsche bringt das Pferd immer dann wieder in die richtige Spur, wenn es meint, seines Herren Lenkzügel nicht gehorchen zu müssen. Hüh! Da ist es wieder, das Wort. Hüh, der Mann treibt sein Pferd mit Worten an.
Ansonsten - Stille. Kein fernes Rauschen von Lkws, die sich aneinander gereiht eine Autobahn entlang quälen. Kein sonores Grollen vom Himmel, der mitteilt, dass wieder ein Heer von Urlaubern in irgendein Sonnenparadies verflogen werden. Überhaupt - ein Himmel ohne Kondensstreifen. Langsam stehe ich auf und gehe auf den Mann mit dem Pferd zu. Der schaut mich ähnlich verwirrt an wie ich wahrscheinlich ihn. Zum Glück habe ich den Helm nicht mehr auf - meine Jeans und mein T-Shirt müssen auf ihn schon unheimlich genug erscheinen.
Während ich so neben dem Mann und seinem vom Pferd gezogenen Maschine stehe merke ich wie das Pferd von einer Unruhe gepackt wird, es spitzt die Ohren, schnaubt und fängt das tänzeln an. Der Mann versucht das Pferd zu beruhigen, redet auf seinen Gaul ein, hat aber trotz der Versuche alle Hände voll zu tun. Lag es an mir, das der Gaul so reagiert? Doch da hörte ich ein Geräusch und auch der Mann hörte es, denn auch er schaute suchend nach dem Grund. Ein Schnaufen und Knattern, noch leise aber langsam und stetig an Lautstärke zunehmend! Am Horizont sah ich es dann, ein Gefährt das sich auf uns zubewegt, eine Kutsche, drei Räder - das kommt mir doch bekannt vor.
Als das Fahrzeug sich nähert. bin ich mir sicher, und im gleichen Moment weiß ich auch ungefähr, wo ich bin. Aber ich weiß auch, wann ich bin. Es ist der August 1888 und was sich mir da langsam und schnaufend nähert, ist der Benz Patentmotorwagen. Jetzt erkenne ich auch die Frau am Steuer, Bertha Benz, die mit ihren Kindern Eugen und Richard die Erfindung ihres Mannes publik macht, indem sie von Mannheim nach Pforzheim fährt. Jetzt wird mir langsam klar, warum sich die Welt um mich herum so verändert hat. Der Veyron, nicht nur das Maximum an automobil technisch Möglichen meiner Zeit, sondern eine wahre Zeitmaschine.
(Bertha Benz mit ihren Söhnen Eugen und Richard während der Fernfahrt von Mannheim nach Pforzheim mit dem Benz-Patent-Motorwagen im Jahre 1888(Foto: Mercedes-Benz))
Ohne Bertha Benz würde es den Veyron vielleicht niemals geben, denke ich, als der Patentwagen an mir vorbeifährt.
Das glaubt mir keiner, höre ich mich selber sagen und bedaure, keinen Fotoapparat dabei zu haben. Das Handy, schießt es mir durch den Kopf. Endlich erschließt sich auch mir, der so ein mobiles Telefon nur zum ursprünglichen Zweck der Fernkommunikation benutzt, der tiefere Sinn der darin verbauten Kamera. Ein Griff in die Tasche, den sich entfernenden Patentwagen anvisiert - klick!
Ich finde mich in einer großen Menschentraube wieder - und diesmal weiß ich auch sofort, wo ich bin. Ich habe schon oft hier in der Nähe gestanden und ihn bewundert - so neu habe ich ihn allerdings noch nie gesehen. Die Menge scheint aufgeregt, noch weiß ich nicht warum, aber dann höre ich immer wieder einen Namen: Levassor. Ich bin mir bewusst, dass ich hiermit Zeitzeuge eines Meilensteines der Automobilgeschichte werde, denn ich befinde mich in Paris, und zwar im Jahre 1896, und was ich vor mir sehe, ist der sieben Jahre alte Eiffelturm. 32 Autos waren am Tag zuvor beim als 2. GP von Frankreich in die Geschichte eingegangenen Autorennen Paris-Marseille-Paris gestartet. 14 Wagen werden heute ihr Ziel erreichen. Emile Levassor, ein rennsportbegeisterter Pionier der Automobilgeschichte, ist heute mit seinem Panhard so schwer verunglückt, dass er nicht nur seine Motorsportkarriere, sondern auch seine Konstrukteurslaufbahn beenden wird. Ein Rückschlag für die Entwicklung des Automobils, denn die von Rene Panhard und Emile Levassor seit 1890 gebauten Fahrzeuge mit Daimler-Motor arbeiteten sehr innovativ. Das Modell 1891 war das erste Auto der Welt mit vorn eingebautem Motor. Der Antrieb erfolgte mittels Kette auf die Hinterachse.
(Typ P2C Nr. 77, à Capote, de l'Abbé Jules Gavois, 1891) (By Alf van Beem (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons)
Ein Bild vom Zieleinlauf und schon setzt sich meine Zeitmaschine wieder in Bewegung, dieses Mal aber nur für ein kleines Stück Zeitgeschichte, denn ich lande im Jahr 1903 und bleibe in Frankreich. Dem Mann, dem ich über die Schulter schaue, ist Gustave Desire Lebeau und auch wenn der Name nun nicht jedem gleich geläufig ist, so haben wir mit seiner Erfindung jeden Tag zu tun, ja mehr noch, wir sind sogar gesetzlich verpflichtet, seine Erfindung zu nutzen. Jetzt hier im Jahre 1903 weiß Lebeau natürlich noch nicht, was für eine die automobile Welt bewegende Idee er gerade zu Papier bringt. Seine gekreuzten Bänder, bestehend aus einem Beckengurt und zwei verstellbaren Schultergurten werden einige Jahrzehnte später in jedem Automobil der Welt verbaut sein und Sicherheitsgurt heißen. Doch bis es soweit ist, nämlich 1959, als der Volvo Amazon das erste Serienfahrzeug mit statischen Dreipunktgurten ist, wird diese Erfindung bestenfalls im Motorsport und in der Fliegerei genutzt.
"Mein Auto ist weg", ist das erste, was mir einfällt, als ich auf Hörweite des Bauers bin.
"Schon wieder so ein Verrückter", bekomme ich als Antwort. Ich wollte ihn eigentlich noch fragen, wo ich eigentlich bin, aber nach der ersten Einschätzung meiner Person verkneife ich mir die Frage.
Stattdessen erkenne ich in der Ferne eine Straße und wo eine Straße ist, da gibt es auch irgendwann einen Ort. Also per Pedes durch die Felder.
Eine gute Stunde laufe ich nun schon auf dieser Straße. Na ja, so richtig verdient hat sie diesen Namen nicht, denke ich, als ich in der Ferne endlich ein mir bekanntes Geräusch ausmache - ein Auto. Dann sehe ich auch etwas, aber wie ein Auto sieht das aus der Ferne nicht gerade aus. Drei Räder, keine Karosserie und im offenen, an eine Kutsche Beachtung finden. Da ich mich schon einmal in Frankreich befinde, verhilft mir die Kamera meines Mobiltelefons zu einem weiteren kleinen Sprung. Erstaunlicherweise ist Frankreich zu Beginn des letzten Jahrhunderts immer wieder der Ort des Geschehens, wenn es um wesentliche Änderungen im Automobilbau geht. So findet auch meine Kurzvisite ins Jahr 1907 in Frankreich statt, um mir den ersten handbetätigten Scheibenwischer der Welt anzuschauen. Nur ein Jahr später schaue ich noch bei der Firma Solonux vorbei, wo das erste Stopplicht mit Ölbetrieb vorgestellt wird. Nunmehr auf den Geschmack des Zeitreisens gekommen, beschließe ich, einen Blick über den Atlantik zu werfen.
Mein Weg führt mich ins Jahr 1913 ins Ford Werk in Detroit. Hier wird seit 1908 das T-Modell gebaut - die Tin Lizzy. Im Jahr 1913 aber realisiert Henry Ford seine den gesamten Automobilbau revolutionierende Idee - er lässt das T-Modell am Fließband fertigen. Bis 1928 werden 15 Millionen T-Modelle das Werk verlassen. Durch die Umstellung der Produktion auf Fließbänder kann Ford den Preis für das T-Modell dritteln und die Löhne für seine Arbeiter verdoppeln. Dafür nehmen seine Bandarbeiter auch Fords Schrulligkeit in Kauf.
(Erste Fließbandfertigung für Pkw - 1913 photograph Ford company, USA)
Der passionierte Nichtraucher gestattet nämlich auf dem gesamten Werksgelände keinen blauen Dunst, und so erkennt man die Fordarbeiter an ihren dicken Wangen, weil sie permanent Kautabak konsumieren, um dem Entzug des Glimmstängels zu begegnen.
Der Erfolg des T-Modells liegt im Wesentlichen in den Tatsachen begründet, dass der Wagen eine sehr große Bodenfreiheit besitzt und vom Werk aus mit einer Vielzahl von Karosserieaufbauten geliefert wird. Selbst vor einer Rennversion schreckt der Erfinder der Fließbandfertigung nicht zurück.
Damit sich der Weg nach Amerika auf meiner Reise rechtfertigt, bleibe ich auch gleich in Detroit, springe aber im Kalender sechs Jahre nach vorn und erlebe die Premiere der ersten dreifarbigen Lichterampel der Welt.
Nicht nur das Heimweh nach Europa bringt mich zurück nach Deutschland. Ein Trauerfall in der Familie Maybach und meine Zeitmaschine bietet mir die Möglichkeit, Abschied zu nehmen von einer bedeutenden Personen des deutschen Automobilbau. Wir schreiben den 29. Dezember 1929, als der König der Konstrukteure, Willi Maybach, im Alter von 63 Jahren seinem Sohn Karl endgültig die Leitung seines 1907 gegründeten Unternehmens überlassen muss. Maybach, der als Waise aufgewachsen war und von dem damaligen Leiter der dem Waisenhaus zugehörigen Maschinenfabrik, Gottlieb Daimler entdeckt und gefördert wurde, hatte ab 1882 in Cannstatt mit seinem Förderer, anfänglich in einem Gewächshaus, an der Entwicklung eines Verbrennungsmotors geforscht. Gemeinsam schufen sie 1885 das hölzerne Reitrad, das mit einem 0,5 PS starken Motor angetriebene erste Motorrad der Welt. Die grundlegenden Entwicklungen auf dem Gebiet des Automobilbaus dieser beiden Tüftler hatten den Grundstein für viele Autoentwicklungen in Europa gelegt.
Nicht zuletzt die französischen Autobauer, die mit einer Vielzahl von Erfindungen zu Beginn des letzten Jahrhunderts aus der Motorkutsche langsam aber sicher ein Automobil werden ließen, wurden von den Ideen aus Cannstatt geprägt. Neben Vergaser, Kühler und Kupplung verdanken wir heute Wilhelm Maybach vor allem das Bestehen der Firma Mercedes, denn der erste Mercedes aus dem Jahr 1900 entstammte ebenfalls dem genialen Autokonstrukteur. Bei dieser meiner traurigen Stippvisite zum Tode des Wilhelm Maybach lasse ich es mir natürlich nicht nehmen, mein Bedauern auch persönlich seinem Sohn Karl auszusprechen. In ihm lebt die Genialität des Vaters fort.
Schon seit 1896 ist Karl im elterlichen Betrieb beschäftigt. Mehr und mehr übertrug ihm sein Vater immer mehr Unternehmensverantwortung und Karl erwies sich dieser als würdig. Ab 1922 zeichnet Karl für die Luxusautomobile der Maybach Manufaktur verantwortlich. Die Fahrzeuge, die vor allem für den Adel und Staatsoberhäupter als adäquate Fortbewegungsmittel gebaut wurden, setzen an Ausstattung und Technik Maßstäbe. Sein Denkmal setzt sich Karl 1929 mit der Vorstellung des Maybach Typ 12, dem ersten V-12 Zylinder der Welt. Knapp 20 Jahre später wird Karl Maybach einen Motor bauen, der dem des Bugatti Veyron, mit dem ich meine Zeitreise startete, fast in einem Punkt gleichkommt - er baut einen Motor mit 1000 PS.
(1929 ist es soweit: Der Maybach „Typ 12“ mit dem 150 PS starken Sieben-Liter-Zwölfzylinder-V-Motor stellt sich vor. Ihm folgt Mitte 1930 der legendäre Maybach „Zeppelin“ Typ DS 7 mit dem gleichen Triebwerk und Doppelschnellganggetriebe. Die DS 8-Variante mit acht Litern Hubraum leistet 200 PS und ist ab 1931 lieferbar.)
Ein wenig mitgenommen von meinem Besuch bei den Maybachs wähle ich nun wieder einmal Amerika als Ziel meiner Reise. Ein wenig Zerstreuung verspricht der 6. Juni 1933. Camden in New Jersey ist das Ziel meiner Reise und mit 600 weiteren begeisterten Zuschauern erlebe ich die Eröffnung des ersten Autokinos der Welt. Ein weiteres Highlight auf meiner 30er Jahre Amerikatour findet ein Jahr später in New York statt. Im immerhin einmal höchsten Gebäude der Welt, dem Chrysler Building wird beim 1934er Modell des Imperial die erste einteilige gewölbte Frontscheibe in einem Automobil verbaut. Walter P. Chrysler, der nach Differenzen mit seinem Arbeitgeber General Motors 1920 zu Willis Overland gewechselt war und dort als verantwortlicher Geschäftsführer immerhin ein Jahresgehalt von 1 Million Dollar im Jahr bezog, war in seiner Karriere schon immer für ein innovatives Köpfchen bekannt. Ihm zu verdanken war auch ein bis dahin einmaliger Übernahmeprozess eines anderen Herstellers. 1928 übernahm Willis Overland den Autohersteller Dodge, der damals immerhin rund fünfmal so groß war wie das von Chrysler geführte Unternehmen.
Zum Glück schaffe ich es auf meiner Zeitreise gerade noch zurück nach Deutschland, um der Eröffnung der ersten deutschen Autobahn von Frankfurt nach Darmstadt im Mai 1935 beizuwohnen. Schon einmal wieder in deutschen Autolanden lasse ich es mir natürlich auch nicht nehmen, auf einen Sprung bei Mercedes vorbeizuschauen.
(Der Mercedes-Benz 260 D ist im Jahr 1936 der erste Serienpersonenwagen mit Dieselmotor)
Dort wird im Jahr 1936 mit dem 260 D der erste Seriendiesel der Welt vorgestellt. Mit 45 PS bringt es der Selbstzünder auf satte 95 km/h. Mein eigentlicher Besuch im Autodeutschland der 30er Jahre gilt aber einem weniger aufwendigen Fahrzeug. Ferdinand Porsche stellt den KdF-Wagen auf die Räder - die Idee der Nationalsozialisten zur Volksmobilisierung steht für 990 Mark für jedermann zum Kauf. Porsche hatte seit 1930 an dem Projekt des Volkswagens gearbeitet. Ab dem Jahr 1938 nun kann ein Interessent wöchentlich Sparmarken erwerben, bei Erreichen der Kaufsumme soll dann der eigene, ersparte Wagen ausgeliefert werden.
(Früher: Stadt des Kdf-Wagens - Heute Wolfsburg! Das Volkswagenwerk in Wolfsburg sollte zur größten Automobilfabrik der Welt werden. Die Werksfläche nimmt heute eine Fläche vergleichbar mit der von Gibraltar ein. Allein die überdachte Hallenfläche ist ungefähr so groß wie das Fürstentum Monaco.(Foto: VW))
Um die Produktion des KdF-Wagens sicherzustellen, wird im Jahr 1939 sogar eigens eine Stadt erbaut, die auch den Namen "Stadt des Kdf-Wagens" trägt und die die Arbeiter des Volkswagenwerkes beherbergen soll. Nach dem zweiten Weltkrieg wird diese Stadt übrigens in Wolfsburg umbenannt werden. Was ich meinen Zeitgenossen bei meiner Stippvisite im Deutschland des Jahres 1938 voraus habe, ist das Wissen um die weitere politische Entwicklung, so das ich Europa schnell wieder verlasse.
1939 schaue ich mir in Amerika die erste Metallic-Lackierung für Serienfahrzeuge an und weil ich gerade bei Ausstattungsmerkmalen bin, genieße ich im Packard des Jahrgangs 1939 die erste serienmäßige Klimaanlage, ein Luxus, der bis dahin nur teuren Sonderkarossen vorbehalten war.
In den 40er Jahren ist der Fahrzeugbau von Rüstungsaufträgen überschattet. Die Produktion von Militärfahrzeugen lässt keinen Spielraum für innovatives Denken im zivilen Automobilbau. Erst gegen 1947 entstehen wieder wegweisende Entwicklungen im Fahrzeugbau. Eine völlig neue Ausgangssituation für alle Automobilhersteller. Die meisten Fahrzeuge, die Ende der 40er Jahre gebaut werden, sind mehr oder weniger modifizierte Vorkriegsmodelle. 1947 wird ein neues Grand Prix Regelwerk eingeführt - die Formel 1 ist geboren. Während in Europa der Wiederaufbau von Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft die Energie der Menschen in Anspruch nimmt, schaue ich mich wieder einmal in Amerika um. In Cleveland sehe ich mir 1951 die erste vollautomatische Fertigungsanlage der Welt an, es ist das neue Ford Motorenwerk.
Ein völlig neues Fahrgefühl erlebe ich im Chrysler Imperial von 1951, es ist der erste Wagen mit serienmäßiger Servolenkung. Ein Sprung zum Chrysler Konkurrenten General Motors lässt mich 1953 die Geburt eines Autos miterleben, das über einige Jahrzehnte Emotionen wecken wird. Die ersten Corvettes werden in Handarbeit im Werk Flint in Michigan gebaut. Die Karosserie der Corvettes besteht aus Fiberglas, ein Novum im Serienautomobilbau.
In Deutschland läuft das Wirtschaftswunder auf Hochtouren. Die Widererstarkung der Kaufkraft fordert von den Automobilherstellern Lösungen für Fahrzeuge, die dem Mobilitätswunsch der Deutschen entsprechen. Die nach dem Krieg als erstes wieder funktionierende Produktion von Motorrädern hat ihren Zenit überschritten, die Menschen wollen wieder ein Dach über dem Kopf. Die Vielzahl der Fahrzeuge, die unter dem Aspekt, günstig zu sein und nach Möglichkeit eine komplette Familie beherbergen zu können, wächst.
Viele Lösungen aus den frühen 50er Jahren basieren noch auf Motorradtechnik. 1954 wagt sich BMW an ein Lizenzprojekt des italienischen Herstellers ISO und baut die Knutschkugel, den BMW Isetta mit nach vorn zu öffnender Tür und einem 12 PS Motorradmotor.
(Die Isetta wurde am 5. März 1955 der Öffentlichkeit zu einem Preis von 2.580 DM präsentiert. Die einfache Bauweise der Isetta brachte dem BMW Erfolg. (Foto: BMW))
Besonders exotisch auf deutschen Straßen die Kabinenroller. Grund genug für mich, dem Aufeinandertreffen des Konstrukteurs Fritz Fend und des Erfinders des Düsenjägers, Willy Messerschmidt zuzuschauen. Fend, einst Flugzeugingenieur in den Messerschmidt Werken, suchte wie sein ehemaliger Arbeitgeber nach neuen Betätigungsfeldern. Die Produktion von Flugzeugen war den Deutschen verboten, also ein Gefährt für die Straße. Fend hatte bereits einige Erfahrungen gesammelt, seit 1946 montierte er aus alten Fahrzeugteilen ein dreirädriges Tretmobil für Kriegsversehrte, das später von einem kleinen Motorradmotor angetrieben wurde. Jetzt 1953, wird daraus der Kabinenroller KR 175. Zwei hintereinander sitzende Personen können in diesem Vehikel mehr oder weniger bequem trockenen Hauptes reisen.
(Am 5. August 1955 wurde der millionste Käfer gebaut. Wie kaum ein zweites Produkt symbolisierte er das Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre im Westen Deutschlands. (Foto: VW))
Der wahre Sieger des Weltwirtschaftswunders aber ist der VW Käfer. Ich befinde mich in Wolfsburg 1955, der millionste Käfer verlässt das Werk. Er ist der Wunsch der meisten nach Mobilität strebenden Deutschen, ein echtes Auto für die ganze Familie samt Gepäck. Der Werbeslogan "er läuft, und läuft und läuft" wird kreiert und die Deutschen kaufen, und kaufen und kaufen.
(BMW 502: Im Katalog steht über die letzten Barockengel folgende Bemerkungen:„So eindrucksvoll wie die Leistung, sind aber auch Laufruhe, Ausgeglichenheit und Elastizität der Achtzylindermotoren. Foto: BMW)
Doch nicht nur die Grundmobilisierung funktioniert wieder. Auch die Besserverdienenden wollen mobil sein. Bereits 1954 hatten BMW mit dem Barockengel, dem 502 und Mercedes mit dem 300 SL gezeigt, dass auch feinster Automobilbau in Deutschland wieder möglich ist.
(Der Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer basiert auf dem im Rennsport zu Anfang der 50er Jahre überaus erfolgreichen 300 SL (Foto: Mercedes-Benz)
1953 hatte Porsche den 550 Spyder auf dem Pariser Autosalon vorgestellt. Ein als unverkäuflicher Rennwagen geplantes Modell, das allerdings auf so viel Zuspruch traf, das 135 Stück dieses Autos gebaut und verkauft wurden. Ich reise wieder einmal nach Amerika und bin unterwegs, um ein trauriges Kapitel eines der fünf in die Staaten gelieferten Spyders zu erleben. Wir schreiben den 30. September 1955. Einer von fünf Porsche 550 Spyder, die John von Neumann, Besitzer des Autohauses Competition Motors in Hollywood importiert hat, war vor 4 Wochen an den "Little Bastard" ausgeliefert worden. Hinter diesem Spitznamen verbirgt sich die Filmlegende James Dean, der nicht nur die Frauenwelt der 50er Jahre zum Schmachten bringt, sondern auch ein begeisterter Rennsportfahrer ist. Dean ist bekennender Porsche Fan.
(Den Vierzylinder- Fuhrmann- Motor, mit vier obenliegenden Nockenwellen und zwei Doppelfallstromvergasern, zeichneten zwischen 1954 und 1965 alle Eigenschaften aus, die zu einem guten Sportmotor gehörten: viel Power, drehfreudig und ein sonorer Klang. (Foto: Porsche))
Für seinen 550er gibt er seinen alten Porsche in Zahlung und befindet sich gerade in der Vorbereitung auf ein am 1. Oktober 19055 im kalifornischen Salinas stattfindenden Autorennen. Ich tausche für ein Stück des Weges den Platz mit seinem Monteur, dem Deutschen Rolf Wütherich und lasse mich von dem Filmidol auf dem Highway nördlich von Los Angeles chauffieren. Was würden wohl viele Fans jetzt für meinen Platz geben, denke ich, mich neben dem ausgezeichneten Fahrer Dean dem Fahrtwind hingebend.
Da ich jedoch weiß, dass es für das morgige Rennen noch Abstimmungen zwischen Dean und Wütherich geben wird, steige ich um in das Begleitfahrzeug und unterhalte mich ein wenig mit seinem Dialogcoach Bill Hickman über die Dreharbeiten zu Giganten, der gerade abgedreht worden ist und im kommenden Jahr in die Kinos kommen wird. Es dämmert schon, und im Gegensatz zum Porsche vor uns fährt Hickman bereits mit Licht. Der Highway ist frei, Dean vor uns fährt behaglich etwa 60 Meilen schnell, als es plötzlich und unvermittelt passiert. Ein entgegenkommender Ford biegt unvermittelt nach links ab - ja sieht der uns denn nicht ? Der Porsche vor uns hat keine Chance - frontal trifft Dean den Ford, der Porsche schleudert von der Fahrbahn und landet abrupt im Straßengraben. Wir schaffen es gerade noch zu bremsen, laufen zum verunglückten Fahrzeug. Keine Regung bei Dean und Wütherich. Mit Schrecken stellen wir fest, dass für James Dean jede Hilfe zu spät kommen wird. Er hat sich beim Aufprall das Genick gebrochen. Wütherich ist schwer verletzt, der Fahrer des Fords, Donald Turnupseed, steht unter Schock. Ich auch - aber eingreifen oder helfen kann ich hier nicht mehr und so verlasse ich den Ort des Unfalls.
Um mich von diesem Vorfall abzulenken, reise ich nach Detroit. Ich möchte mir die Entwicklung der Heckflossen anschauen, die von keinem anderen Autohersteller so konsequent angewendet wird wie von Cadillac.
Ich habe einen Termin mit Harley Earl, der seit 1928 für das Design bei Cadillac verantwortlich zeichnet. Er gilt auch als Erfinder der Heckflosse und hatte 1953 so ganz nebenbei die Corvette zum Leben erweckt. Cadillac ist in den späten 50ern der Inbegriff für luxuriöses Reisen in den USA. Vor allem die Filmwelt Hollywoods greift immer wieder zum Caddy. Vielleicht treffe ich ja die Monroe.
(Cadillac Sixty-Two Sedan - Das Ende der 50er Jahre bedeutete die Hochkultur der Heckflügel bei allen Cadillac- Modellen - was den Fahrzeugen den Beinamen Düsenflugzeuge einbrachte.)
Den Termin mit Harley Earl aber habe ich, um etwas zu tun, um das mich die ganze Welt beneiden wird. Da steht er, der Series 62, Sonderlackierung pink. Ich lasse meine Hand über die Chromeinfassung der Fahrertür gleiten und dann nehme ich Platz im legendären pink Cadillac des King of Rock´n Roll. Es ist Elvis Presleys neuer Cadillac, in dem ich sitze. Mit dem 55er Modell führte Cadillac übrigens schlauchlose Reifen ein, die vor zwei Jahren von Dunlop erfunden wurden.
Nach soviel Erlebnissen im Jahr 1955 muss ich mich erst einmal am wenig erholen. Am besten tue ich das, wenn ich mir ein Autorennen anschaue. Also auf nach Portugal und ins Jahr 1959. Der erste Formel 1-Lauf Portugals in Monsanto.
In diesem Jahr wurde übrigens die Konstrukteursweltmeisterschaft eingeführt. Zum Glück regnet es nicht, so das ich das Rennen über 50 Runden genießen kann. Die Pole Position hält Stirling Moss mit seinem Vanwall 57, daneben Mike Hawthorn im Ferrari Dino 246. Start, und sofort nutzt Moss seine Pole Position aus und stürmt davon. Hawthorn dicht dran und schon in Runde zwei passiert es - Hawthron überholt, setzt sich ab, Moss bleibt dran - bis Runde 7, dann wechselt die Führung wieder. Jetzt lässt Moss nichts mehr anbrennen, sollten die Dunlops doch besser sein als die Engleberts, die Ferrari benutzt? Sieg für Moss nach 2 Stunden, 34 Minuten und 21 Sekunden. Die Freude im Vanwall-Lager kennt keine Grenzen. Es wird ihm nichts nutzen, denke ich, denn am Ende der Formel 1 Saison 1958 wird Hawthron Weltmeister werden. Aber immerhin gewinnt Vanwall den ersten Konstrukteurstitel vor Ferrari und Cooper Climax.
Ebenfalls ein Rennwagen ist der Grund für meine nächste Stippvisite, denn ohne den Erfolg des Jaguar Type D, der von 1957 bis 59 die 24 Stunden Rennen von Le Mans beherrschte, wäre das Auto, das ich mir 1961 im britischen Coventry anschaue, Jaguar E-Typewahrscheinlich gar nicht entstanden.
(Jaguar E-Type - Die schönste Raubkatze der Welt! (Foto: Jaguar))
So aber kann ich mir den von Sir William Lyons geschaffenen E-Type, eines der aufregendsten Automobile, überhaupt, anschauen. Natürlich ist der E-Type I der echte E-Type, um es gleich vorwegzunehmen. Der 3,8 l Sechszylinder verleiht dem Wagen eine ganz andere Dynamik als der spätere 12-Zylinder. Genuss + Geschwindigkeit = Fortschritt, so reduziert sich die Philosophie der schönsten Raubkatze der Welt, mit der es Jaguar gelingt, eine Brücke zwischen den eher schwach motorisierten kleinen Roadstern hin zu den unerschwinglich teuren Luxussportwagen der frühen 60er zu schlagen.
Einmal auf dem europäischen Kontinent; noch schnell ein Sprung ins Jahr 1963 und auf nach Neckarsulm. Dort wird das erste Automobil mit Kreiskolbenmotor gebaut, der NSU Spider. Die Technik ist noch nicht ausgereift, und jeder Käufer eines Spiders wird unfreiwillig zum Testfahrer. Unwiderstehlich die Leistungsausbeute des von Felix Wankel konstruierten Motors. Der 50 PS Spider schafft über 150 Stundenkilometer und setzt auch in Sachen Beschleunigung Maßstäbe gegenüber dem Ottomotor. Wenn er nur nicht so anfällig wäre.
Aber bis zur Vorstellung des NSU Ro 80, der als das berühmteste Wankelauto aus dem Hause NSU angesehen werden darf, haben die Neckarsulmer ja noch vier Jahre Zeit.
(Ro 80 - das berühmteste Wankelauto aus dem Hause NSU)
(By Spurzem - Lothar Spurzem (Own work) [CC BY-SA 2.0 de], via Wikimedia Commons)
Dann allerdings wird ihnen zumindest der Ruhm der Autowelt zuteil, denn mit dem Ro 80 wird NSU nicht nur ein Fahrzeug mit Kreiskolbenmotor vorstellen, sondern auch eine Karosserie und technische Ausstattungen, die ihrer Zeit weit voraus sind - zu weit allerdings für die potentiellen Käufer, denn der Ro 80, eines der innovativsten Fahrzeuge, das je in Deutschland gebaut werden wird, trifft den Nerv der Käufer nicht. Aber ich befinde mich schon wieder einmal auf dem Weg nach Amerika, es gibt etwas zu feiern. Am 16. März 1966 baut General Motors als erster Hersteller der Welt sein 100 millionstes Fahrzeug. Herzlichen Glückwunsch.
Einmal in Amerika, schaue ich im Jahr 1968 auf die Entwicklung der ersten Tests mit Airbags in Automobilen. Bereits in den 40er Jahren wurden Patente für Airbags angemeldet, bis der erste Airbag in einem Serienfahrzeug verbaut wird, werden aber noch 6 Jahre vergehen. Es wird der 1974er Cadillac de Ville sein, der als erstes mit einem Airbag ausgestattet sein wird. In Deutschland werden die sicherheitsbewußten Autokäufer noch auf den Mercedes Benz W 126 und auf das Jahr 1980 warten müssen, dann ist der Airbag für dieses Auto zumindest optional erhältlich.
Ein weit reichendes Ereignis bringt mich noch einmal in das Jahr 1967 zurück. In Hamburg wird das erste japanische Auto an einen deutschen Kunden verkauft. Es ist ein Honda S 600. Anfänglich werden in Deutschland Besitzer eines Autos aus Japan eher mitleidig belächelt. Auch der Wettbewerb sieht die Gefahr für eigene Absatzzahlen nicht und lächelt mit. Inzwischen dürfte den meisten Automobilherstellern auf der Welt das Lächeln über die Autos aus dem Reich Nippon vergangen sein.
Um beim Sicherheitsthema zu bleiben - der 1. Juli 1970 ist der Tag, seit dem ein Führer eines Fahrzeuges in Deutschland eigentlich vor Fahrtbeginn einen Blick in den Kofferraum werfen sollte. Seit diesem Tag ist in Deutschland nämlich das Mitführen eines Warndreieckes Pflicht.
Bevor ich im Jahr 1971 bei den Rolls Royce Werken vorbeischaue, um mitzuerleben, wie das Traditionsunternehmen unter Konkursverwaltung gestellt wird, probiere ich etwas völlig Neues in Sachen Unterhaltungstechnik im Auto aus. Es gibt sie neuerdings im Jahre 1971 - Autoradios mit Kompaktkassettenteil. Aber dann muss ich doch schnell wieder nach Deutschland zurück.
Ein Schrei des Protestes geht durch die Autofahrer der Republik. Geschwindigkeitsbegrenzung ist das Wort, das den Unmut bei vielen freiheitsliebenden Autofahrern auslöst. Am 1.10. 1972 ist es amtlich - auf deutschen Straßen gilt Tempo 100 außerhalb geschlossener Ortschaften. Und es wird noch schlimmer kommen. Wir schreiben den 25. November 1973. Deutschlands Straßen sind leer. Nicht eine Fernsehsendung oder ein ähnliches kulturelles Ereignis ist schuld, sondern die OPEC. Wir stecken mitten in der Ölkrise 1973. Den Deutschen beschert das vier autofreie Sonntage. Trotzdem stehe ich mit einem Gesichtausdruck an der Tanksäule, der im Jahr 2005, dem Beginn meiner Reise, nur sehr selten zu sehen ist: ich lächele. 76 Pfennig kostet der Liter Superbenzin trotz OPEC Drosselung der Fördermenge. Und als wenn die Autofahrer nicht schon gestraft genug sind, ein halbes Jahr später, genau am 1. Mai 1974 beginnt das Kraftfahrtbundesamt mit dem Anlegen einer Sünderkartei, eine Unternehmung, die auch heute noch viele Autofahrer den Stadtnamen Flensburg nur unter Tränen aussprechen lassen.
Doch ich befinde mich im Frühjahr 1974. Mein Weg hat mich an den Kontrollpunkt 8 im Wolfsburger Volkswagenwerk gebracht. Was da gerade an mir vorbeirollt ist eine automobile Erfolgsgeschichte, die bis in die Gegenwart anhält.
Der Golf 1 rollt an mir vorbei - nach ihm wird einmal eine ganze Generation benannt werden. Das weiß zu diesem Zeitpunkt hier außer mir allerdings noch niemand. Für den Volkswagen Konzern ist dieser kantige, von Giugiaro gezeichnete Kompaktwagen die letzte Chance. Zu lange hat man am Käferkonzept festgehalten. Fehlende Mittel hatten eine völlig neue Fahrzeuggeneration in den 60er Jahren vereitelt, die Versuche, mit Autos wie dem 1500er oder 411er im Markt zu bleiben, waren gescheitert. Der Käfer, technisch ausgereizt und nicht mehr das Symbol, das er zu Zeiten des Wirtschaftswunders war, kann die Situation bei VW nicht retten.
(Im Januar 1974 kam der Golf, der sich danach schnell zum Verkaufsschlager entwickelt. (Foto: VW))
807 Millionen Mark Verlust in der Bilanz sprechen eine deutliche Sprache. Entweder der Golf wird es bringen oder VW ist am Ende. 1,1 l und 50 PS, Frontantrieb, Platz für die ganze Familie und ein gut zugänglicher, geräumiger Kofferraum, das sind die Eckdaten des Golf 1, und das Konzept von VW wird aufgehen. Nur ich weiß, dass bereits 1976 der millionste Golf dieses Werk verlassen und VW aus der Krise führen wird. In Amerika hat man 1974 ganz andere Sorgen. General Motors testet Katalysatoren für Benzinmotoren.
Audi wagt 1977 den Schritt eines Motors mit ungerader Zylinderzahl. Der neue Audi 100 besitzt einen Fünfzylinder-Benzinmotor. Zugleich werden ab 1977 alle Kombimodell bei Audi Avant heißen. Ich springe über den eisernen Vorhang und erlebe, wie sich die DDR zumindest verkehrstechnisch an Europa anpasst. Die bis dahin eigenständigen Verkehrszeichen verschwinden im Zuge der Angleichung an internationale Verkehrsregeln und somit spricht man in Deutschland zumindest verkehrstechnisch wieder eine Sprache.
Das Ende der 70er Jahre bringt auch für Amerika eine technische Veränderung. Serienmäßig verfügen amerikanische Autos nun über einen Airbag. Davon ist Deutschland noch weit entfernt. Auch im Jahre 2005 ist der Airbag in Deutschland noch keine Pflicht. Immerhin aber wird 1987 wenigstens der Katalysator Pflicht.
Ein schwerer Besuch steht mir am 10. Januar 1980 bevor. Osnabrück ist mein Ziel, genauer gesagt die Firma Karmann, die sich seit vielen Jahren einen Namen im Fahrzeugbau gemacht hat. Heute am 10. Januar endet bei Karmann die Produktion des Käfer Cabrios und damit endgültig der Bau eines Käfers auf deutschem Boden. Die Republik hat eines ihrer Wirtschaftswunderkinder für immer verloren. Doch wie im echten Leben, was für den Einen das Aus bedeutet, ist für den Nächsten die Geburt. Ich schlendere gerade über den Genfer Autosalon 1980 und schaue am Audi Stand vorbei, denn hier gibt es etwas recht Aufregendes zu sehen.
Seit 1977 forscht Audi am Allradantrieb für Serienfahrzeuge, hier steht das Ergebnis. Der Audi Quattro, basierend auf dem kantigen Audi Coupe, steht dickbackig und aggressiv auf dem Audistand. 200 PS und 222 Stundenkilometer sind schon beeindruckende Werte.
(5 Zylinder, 200 PS und all wheels drive - Attribute des Audi Coupe quattro (Foto: Audi))
Das eigentlich Aufregende am Quattro aber ist der Vierradantrieb, der dem Besitzer eines Quattro deutlich besseren Grip auf der Straße verspricht. Massenware wird der Quattro aber nie werden, sein Preis, der mehr als doppelt so hoch angesiedelt ist wie der für das Audi Coupe, beschränkt seine Produktionszahlen von allein. Für Audi aber wird dieses Auto zum Imageträger für Sportlichkeit. Er führt das Unternehmen aus der biederen Ecke hin zum Hersteller dynamischer, innovativer und sportlicher Autos. Dazu wird vor allem auch der Erfolg des Quattro im Rennsport beitragen. In den frühen 80ern wird der Quattro den Rallyesport dominieren.
Nicht ganz so sportlich, aber immerhin mit 160 PS und 3,2 l Motor stattet 1985 der VW Tuningspezialist Öttinger einen Dauerbrenner aus dem VW-Programm, den Bus T 3, aus. Der Konzern selbst hat in diesem Jahr den sechs Jahre zuvor präsentierten VW T 3 mit Katalysator und 95 PS Motor ausgestattet und damit dem nicht nur bei Handwerkern beliebten Transporter noch alltagstauglicher gemacht.
Ich bleibe in Deutschland. Berlin steht auf meinem Reiseplan. Wir schreiben den 9. November 1989. Ich stehe am Brandenburger Tor in einer frenetisch jubelnden Menge und schaue mir ein Auto, das Jahrzehntelang der Inbegriff der Mobilität in der Deutschen Demokratischen Republik war. Jetzt kommen sie in hupenden Schlangen in den bis dahin nicht zugänglichen Westteil der Stadt - die Rennpappen, auf die ein DDR Bürger meistens ein gutes Jahrzehnt warten musste. Die tuckernden Zweitakter sind ein völlig neues Auto im westdeutschen Straßenbild. Allerdings wird der Wunsch nach besseren, schnelleren Autos binnen Monaten die Höfe der bundesdeutschen Gebrauchtwagenhändler leeren und das Straßenbild wird fortan auch in den neuen Bundesländern von Golf und Co dominiert. In Zwickau probiert man im Mai 1990 noch kurzfristig, den Trabbi durch Einpflanzen eines 4-Takt VW Motors am Leben zu erhalten, doch am 30. April 1991 wird der 3.690.099 Trabant der letzte sein, der in Zwickau vom Band läuft - es ist ein 1.1 Universal Kombi.
Das Jahr 1990 führt mich nach Frankreich. Hier endet die Karriere eines Autos, das einmal dafür konzipiert worden war, zwei Bauern und 50 Kilo Kartoffeln mit bis zu 60 Stundenkilometern Geschwindigkeit transportieren zu können.
(Citroen 2 CV - Sie nannten sie "Ente" (Foto: Citroen))
Der 27. Juli 1990 ist das endgültige Ende der Ente. Die "Ente" Citroen 2 CV, die über 5 Millionen Mal verkauft wurde ist heute längst zu einem Kultfahrzeug geworden ist.
Auch das Jahr 1991 hat einen wichtigen Termin für mich im Kalender. Ich reise ins belgische Spa, es ist der 25. August und ich erlebe in der Formel 1 das Debüt eines Mannes, der dieser Rennserie im kommenden Jahrzehnt und noch darüber hinaus seinen Stempel aufdrücken wird. Im Jordan sitzt ein junger Mann aus Hürth. Bei diesem Rennen scheidet er zwar aus, aber sein Erfolgsweg in der Formel 1 beginnt hier. Über die Stationen Bennetton und Ferrari wird Michael Schumacher sieben Mal den Weltmeistertitel einfahren, von 2000 bis 2004 sogar in Folge. Kein Rennfahrer vor ihm wird sich so erfolgreich im Rennsport behaupten wie Schumacher.
Die 90er Jahre sind entwicklungstechnisch immer stärker vom Faktor Verbrauch und Benzinersatz geprägt. Die Japaner sind es, die 1997 ein erstes Serienhybridfahrzeug präsentieren, das auch alltagstauglich ist. Viele Autohersteller haben an der Kombination von Elektro- und Benzinmotor getüftelt, wurden aber aufgrund der großen Batterien und dem damit verbunden Verlust von Gepäckraum in der Regel hämische Seitenhiebe kassieren müssen. Bilder vom Hybridauto mit angehängtem Wohnwagen zur Aufnahme der notwendigen Batterien waren häufiger als wirklich ernst zu nehmende Fahrzeugentwicklungen.
(1997: Erster Serienhybrid - der Toyota Prius (Foto: Toyota))
Toyota setzt dem mit dem Prius 1997 ein Ende. Doch obwohl das Fahrzeug das Thema Hybridantrieb mehr oder weniger serienreif löst, findet sich in Deutschland kein Markt für diese Fahrzeuggattung. In den Staaten allerdings bewährt sich die Idee vom Hybrid - Toyota auf Anhieb.
1998 sorgt ein Ereignis für eine der größten Rückrufaktionen der Automobilgeschichte und es erwischt ausgerechnet jenen Konzern, dessen Image auf Zuverlässigkeit und Sicherheit aufgebaut ist.
Der Elchtest beschert Mercedes, die mit der A-Klasse den Kompaktwagenmarkt revolutionieren wollte, einen herben Rückschlag. Alle A-Klassen Modelle werden von den Händlern zurückgeholt und eine der größten Umrüstaktionen in einem Fahrzeugwerk beginnt, um die A-Klasse kippsicher zu machen. Erst 1998 wird die A-Klasse wieder zurück zu den Händlern kommen - das Image von Mercedes aber erhält einen Bruch.
(Mercedes A Klasse - Ein Elch brachte ihn zum Kippen (Foto: Mercedes-Benz))
Zum Glück ahnen die Stuttgarter noch nicht, dass ihnen eine noch größere Katastrophe bevorsteht. Am 31. März 2005 wird das Unternehmen die größte Rückrufaktion der Firmengeschichte ausrufen müssen, mehr als 1,3 Millionen Fahrzeuge mit dem Stern müssen wegen Fehlfunktionen der Bremsanlagen zurück in die Werkstätten.
Doch nicht nur für Mercedes bedeutet das Jahr 1998 einen herben Rückschlag. Ein weiterer traditionsreicher Automobilhersteller gerät in die Fänge gleich zweier Konzerne. BMW und VW streiten sich um die Doppelmarke Rolls Royce und Bentley. Der VW Konzern bekommt die Marke Bentley zugesprochen, BMW bekommt nichts - außer zwei Buchstaben: RR. Rolls Royce beginnt damit fast 100 Jahre nach seiner Gründung bei 0. Erst im Jahr 2003 wird wieder ein neu konzipierter Rolls Royce erscheinen - aber der Mythos um die britische Nobelmarke ist für immer zerbrochen.
Mehr Erfolg hat das Bayrische Unternehmen mit dem Propeller im Logo 1999. Mit dem X5 gelingt es den Bayern, eine neue Fahrzeugklasse zu definieren. SAV, oder ausgeschrieben Sports Activity Vehicle, werden in Zukunft Fahrzeuge genannt, die sportlich-komfortable Fahreigenschaften mit den Qualitäten eines Offroaders vermischen.
(Der Konzern kreierte eigens für den X5 eine eigene Kategorie, die SAV (Sports Aktivity Vehicle). Der X5 wird deshalb weder als „Geländewagen“ noch als SUV (Sports Utility Vehicle) von der Marke BMW vermarktet. (Foto: BMW))
Mit dem Vermischen von Funktionen und Fahrzeugausrichtungen wird ein Trend für das neue Jahrtausend gesetzt. Immer neue Kombinationen entstehen, Cabrios werden mit Pick-ups gekreuzt, Sportwagen mit Geländewagen, Limousinen mit Coupes.
Es beginnt ein Zeitalter der Nischenfahrzeuge, denn ein stagnierender Absatzmarkt verlangt den Autokonzernen immer neue Fahrzeugkreationen ab, um einem übersättigten Markt doch noch Käuferpotentiale zu entlocken. Wohin uns das führen wird, zeigt die letzte Station meiner Reise. Noch einmal nehme ich mein Handy zur Hand, um einen Zeitsprung zu wagen. Er führt mich wieder in die USA und zwar in den Oktober 2005.
Fontana in Kalifornien ist mein Ziel und der Grund meines Kommens ist der Grand Challange 2005. Zum zweiten Male findet hier eine Veranstaltung statt, die der Traum oder Alptraum aller Autofahrer werden kann - das fahrerlose Auto wird hier getestet.
175 Meilen gilt es zurückzulegen - eigentlich kein Problem, nur, bei diesem Rennen darf halt kein Fahrer im Auto sitzen. In der Theorie soll ein Auto, dem ein Ziel per Navigationssystem vorgegeben wird, dieses unfallfrei selbständig und ohne Unfall erreichen.
Ein VW ist es, der 2005 diese Aufgabe für sich entscheiden kann. Der Touareg Stanlette wird von Video und Lasersensoren gesteuert und erreicht dabei bis zu 50 Stundenkilometer, ohne an den natürlichen Hindernissen anzuecken.
Ist das das Ziel nach mehr als 100 Jahren Automobilgeschichte? Der Wagen braucht den Menschen als Lenker nicht mehr - Fahrfreude ausgeschlossen. In 10 bis 15 Jahren soll diese Technik marktreif sein. Einen Augenblick lang überlege ich, ob ich es wagen soll, den Sprung in diese Zeit zu wagen.
Dann beschließe ich lieber etwas anderes ...
Die Tachonadel steht ruhig und konstant bei 410 km/h. 410 Kilometer in der Stunde, Bertha Benz hätte dafür mindestens einen Tag gebraucht, denke ich noch, als ich meinen Fuß vom Gas nehme und den Veyron in gemütlichen 200 km/h über die leere Autobahn führe. Ich denke noch einmal zurück an meine Zeitreise und stelle fest, dass die technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit zwar wunderbare Fahrmaschinen erzeugen können, aber mit 100 Jahren Automobilgeschichte hat sich der wahre Pioniergeist abgenutzt. Ich denke noch einmal an ein Spiel zurück, das wir in den 60er Jahren als Kinder oft gespielt haben. Jeder gab einen Groschen und wir stellten uns an eine wenig belebte Straße und warteten auf das nächste Auto, das uns entgegenkam. Wer zuerst erraten hatte, was für ein Auto es ist, gewann das Geld. Probieren Sie das heute einmal, in einer Zeit, in der Karosserien nicht mehr von blechverliebten Köpfen, sondern von Windkanälen geprägt werden und auch der Autokenner nicht selten nach dem Herstellerlogo oder dem Schriftzug am Heck Ausschau halten muss, um ein Fahrzeug bestimmen zu können.