Karl Benz treibt seine Entwicklung des Automobils voran. Vom Benz Patent-Motorwagen von 1886, dem ersten Automobil der Welt, werden rund 25 Exemplare gebaut. Benz weiß natürlich, dass ein vierrädriges Fahrzeug vor allem in Kurven eine bessere Fahrstabilität hat, doch befindet er die bisher an Kutschen verwendeten Lenkungen als ungeeignet für seinem Zweck. Er löst das Problem – und meldet 1893 die Achsschenkellenkung zum Patent an (DRP Nr. 73515). Erstmals setzt er sie im gleichen Jahr im vierrädrigen Modell „Victoria“ ein. Doch ihm schwebt ein leichteres Auto vor. Auf der Weltausstellung in Chicago (1. Mai bis 31. Oktober 1893) präsentiert er schließlich sein „Velociped“ der Öffentlichkeit. Es wird das erste Serienautomobil der Welt sein und gleichzeitig der erste Kleinwagen. Von 1894 bis 1897 wurden nachweislich 381 Stück ausgeliefert. Von 1894 bis 1901 fertigt das Unternehmen mehr als 1200 Stück.
Karl Benz hat sich auch mit der Entwicklung von Fahrrädern beschäftigt, im Sprachgebrauch der damaligen Zeit „Velociped“ genannt. Schon früh verwendet er den Begriff bei seinen ersten Dreirädern, vermutlich, weil sich seine leichten Automobile von den schweren Kutschen mit eingebautem Motor unterschieden. Das „Velo“ erfüllt alle Kriterien, die sein Konstrukteur berücksichtigen möchte. Es ist leicht, robust, schnell und preiswert – es kostet „complett in feinster Ausstattung mit Laternen“ 2000 Mark, was freilich auch für damalige Verhältnisse keine kleine Summe ist.
Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 km/h. Das Fahrzeug wird auf einem Holzrahmen mit Eisenverstärkung aufgebaut. Es ist kompakt, misst bei rund 2,25 Meter Länge 45 Zentimeter weniger als das Benz-Dreirad und wirkt richtiggehend grazil auf seinen Drahtspeichenrädern. In seiner ersten Version von 1894 wiegt es 280 Kilogramm und damit stolze 380 Kilogramm weniger als ein Victoria. Vorn wie hinten findet man Starrachsen. Die Achsschenkellenkung wird über eine senkrechte Lenksäule in der Wagenmitte betätigt.
Für das „Velo“ konstruierte Benz einen neuen, kleineren Motor. Er wird wie bisher liegend eingebaut, schöpft aus einem Hubraum von 1045 cm3 1,5 PS bei 450/min, das Verhältnis Bohrung/Hub beträgt 110/110 mm. Zunächst kommt der Benz-Oberflächenvergaser zum Einsatz, später der Schwimmervergaser, gleichfalls eine Konstruktion von Karl Benz. Wie schon im Dreirad wird der Motor durch Drehen des Schwungrads angelassen – und dann läuft er in einem gleichmäßigen Takt vor sich hin. Der unter der Sitzbank angeordnete Kraftstofftank fasst 18 Liter; was auf den ersten Blick reichlich klingt, sich jedoch relativiert bei einem Verbrauch von rund 14 Liter auf 100 Kilometer. Der unter einer Holzhaube untergebrachte Motor treibt über zwei Flachriemen die Vorgelegewelle mit einer Los-, einer Festscheibe und einem integrierten Differential an, von dort laufen zwei Ketten zu beiden Hinterrädern. Wie in den größeren Motoren von Dreirad und Victoria ist das Kurbelgehäuse noch offen, ein geschlossenes Gehäuse kommt 1898. Es gibt zwei Vorwärtsgänge und zunächst keinen Rückwärtsgang. Die Kraft wird über ein Zweistufen-Flachriemengetriebe übertragen. Das Velo kommt auf Drahtspeichenrädern mit Vollgummireifen daher. Vorn messen sie 550 Millimeter, hinten 850 Millimeter. Der Radstand beträgt 1340 Millimeter, die Spur vorn 1000 Millimeter und hinten 1040 Millimeter.
1896 kommt als verbesserte Version des „Velo“ das Modell „Comfortable“ für 2500 Mark. Es ist durchweg besser ausgestattet, hat – gegen einen Aufpreis von 350 Mark – Luftreifen, im damaligen Sprachgebrauch „Pneumatics“ genannt (Durchmesser der Räder vorn 540 und hinten 780 Millimeter). „Das Fahrzeug fällt durch seine elegante Formgebung und sorgfältige Ausstattung auf und beweist, dass die Benzwerke schon bald Wert darauf legten, nicht nur vorzüglich konstruktiv durchgebildete und ausgeführte sondern auch äußerlich formvollendete Wagen zu liefern.“ Der Motor leistet jetzt – bei unverändertem Verbrauch – 2,75 PS bei 600/min und wird mit einer Andrehkurbel gestartet, was eine große Erleichterung bedeutet. Auch kann man für 200 Mark Aufpreis nun ein zusätzliches Planetengetriebe mit drei Vorwärtsgängen und einen Rückwärtsgang ordern. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt nun bis zu 30 km/h. Es gibt weiteres Zubehör, wie eine zeitgenössische Verkaufsbroschüre vermerkt: „Halbverdeck und Spritzleder Mk 200, mit Parasol Mk 100“.
Im Jahr 1900 wird ein erneut überarbeitetes Modell vorgestellt. Es bietet 3 PS bei 700/min aus unverändert 1045 cm3 Hubraum. Das 1896 eingeführte Getriebe mit Rückwärtsgang gehört nun zur Serienausstattung. 1901 steigt die Motorleistung noch einmal an, auf 3,5 PS.
Mit dem Modell „Velo“ erreicht Karl Benz vor allem zwei Dinge: Zum einen zeigt die Zahl von mehr als 1200 Stück, dass der Wunsch nach einer persönlichen Mobilität unabhängig vom Pferd groß ist. Zum anderen bahnt es den Weg, den Benz mit seinem Unternehmen beschritten hat: Automobile in Serie zu bauen.
Technische Daten des Benz Velociped
1894 - (1896) - [1900] - "1901"
Motor:
Typ: 1 Zylinder Motor
Hubraum: 1045 ccm
Leistung: 1,1 kW / 1,5 PS bei 450/min (2 kW / 2,75 PS bei 600/min) [2,2 kW / 3 PS bei 700/min] "2,6 kW / 3,5 PS"
Drehmoment: n.a.
Kraftübertragung: Hinterradantrieb
Getriebe: Zweistufen-Flachriemengetriebe (Planetengetriebe mit drei Vorwärtsgängen und einen Rückwärtsgang)
Fahrleistung:
Vmax: 20 Km/h (30 km/h)
Beschleunigung von 0-100 km/h: n.a.
Verbrauch: 14 Liter
Abmessungen:
Länge: 2250- 2400 mm
Breite: 1250 mm
Höhe: 1350 mm
Radstand: 1340 mm
Gewicht: 280 - 425 Kg
Produktionszeitraum: 1894-1901
Stückzahl: über 1.200
Preis bei Markteinführung: 2.000 Mark (2500 Mark)
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Fotos: © Daimler
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