Die Nürnberger Firma Rietze Modellbau gibt es seit 1970. Seit diesem Jahr setzte das Unternehmen für verschiedene Modellbau-Firmen in Nürnberg und Rothausen Bausatzneuheiten von Bauwerken zu Fertigmodellen zusammen. Dass sich Firmengründer Lothar Rietze mit dem Thema Modellauto zu beschäftigen begann, hatte einen persönlichen Grund.
Der Wahl-Nürnberger ist selbst Sammler. Seit 1960 hatte er eine Kollektion von rund 7.500 Stück im Maßstab 1:87 zusammengetragen, als ihm eines Tages eine bemerkenswerte Lücke auffiel: Es gab kein einziges solches Fahrzeug von auch nur einem einzigen japanischen Hersteller. Das ließ bei dem umtriebigen Unternehmer sämtliche Glocken klingeln. Eine Marktlücke war gefunden, und die musste unbedingt geschlossen werden. Gesagt, getan: Nach der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main im Jahr 1983 gründete er umgehend eine neue Firma, die Fa. Rietze Automodelle mit Sitz in der Banatstraße 40 in Nürnberg. Mit Nachbauten von Modellen sämtlicher namhafter japanischer Autobauer besetzte Rietze von Anfang an ein bisher brachliegendes und bis dahin völlig unbeachtetes Marktsegment.
Dass er damit gleichzeitig eine weitere Marktlücke entdeckt hatte, konnte er damals kaum ahnen. Bis es soweit war, dauerte es auch mehrere Jahre. Inzwischen nahm das junge Unternehmen einen anhaltenden Aufschwung. Ein Mitsubishi L 300 war das erste Modell gewesen, das als Bus und als Kastenwagen produziert wurde. Dann folgte, gewissermaßen als 'Ausreißer', ein Hymer-Reisemobil. Insgesamt stieg die Nachfrage nach den Rietze-Modellautos stetig an, und schon 1986 war zwecks Erweiterung ein Umzug innerhalb Nürnbergs in die Okenstraße 25 nötig. Dort wurde eine erste Tampondruckmaschine eingesetzt, und bald wurde auch ein eigener Bereich für den Formenbau geschaffen. Schon 1987 war eine weitere Expansion, diesmal in Räume in der Humboldtstraße 7, nötig, wo eine eigene Kunststoffspritzerei installiert wurde.
Der große Knall kam noch im selben Jahr, als der Autobauer Audi das kleine, aber so innovative Unternehmen entdeckte, und in großen Stückzahlen einen Audi 200 als Limousine und Avant in Auftrag gab. 1988 wurde eine eigene Formenbau-Firma ausgegliedert, und nebenbei begann mit dem Neoplan Cityliner die sich rasch erfolgreich entwickelnde Fertigung von Omnibusmodellen.
Das Thema Modellauto war damit aber noch lange nicht ausgereizt. Nach der Wende 1989 gehörte Rietze zu den ersten Firmen, die in den sogenannten Neuen Bundesländern investierten. Die Firma Gützold aus Zwickau stellte dort Räume für die Montage zur Verfügung. Aus Verbundenheit zu seiner alten Heimat nahm der Seniorchef das Angebot an und musste es nicht bereuen.
Die Modellautos aus Nürnberg und seitdem auch aus Zwickau haben seit langem eine Besonderheit: Der Hersteller konzentriert sich stark auf die Herstellung von Werbemodellen für die 'großen' Autobauer, und die sprangen reihenweise auf diese Idee an. Seit 1990 lässt Opel hier seine Werbemodelle herstellen. Mercedes-Benz und Ford folgten wenig später. Auch hier hatten sich die quicklebendigen Nürnberger eine Marktnische geschaffen. Große Busunternehmen und später auch Nutzfahrzeugbauer folgten dem Beispiel der Konkurrenz. MAN, Magirus und VW sind nur drei weitere Namen in diesem Zusammenhang. Spätestens seit 1999 ist das Busprogramm im Maßstab H0 komplett. Seitdem lassen alle nennenswerten Bushersteller hier produzieren. Auch in den Motorsport-Bereich ist Rietze-Modellbau vorgedrungen, und eine ansehnliche Flotte von Feuerwehr-, Rettungs- und anderen Sonderfahrzeugen erweitert das Sortiment. Nach und nach kamen auch immer noch weitere Autobauer dazu. 2007 ist übrigens nach fast 25 Jahren mit dem Concorde Charisma 840 auch wieder einmal ein Wohnmobil zur Rietze-Modellfamilie hinzugekommen. Eine weitere Nische war schon etwas früher mit Modellen in N-Spur-Größe Maßstab 1:160 geschlossen worden. In der 1995/96 nach Altdorf bei Nürnberg, Stadtteil Ludersheim, verlegten neuen Zentrale entstanden erstmals Fahrzeuge im Maßstab 1:43 nach Originalen von Suzuki und Mercedes-Benz. So wie am Hauptstandort Altdorf musste auch in Zwickau längst gehörig erweitert werden.
Ein Modellauto ist ähnlich wie eine Eisenbahnlokomotive ein Gegenstand, der die Herzen nicht nur von Kindern, sondern auch von Erwachsenen höher schlagen lässt. Seit 1996 wird deshalb jedes Jahr ein Tag der offenen Tür veranstaltet, der großen Zulauf findet - nicht zuletzt deshalb, weil bei dieser Gelegenheit sowohl Neuheiten als auch alte Modelle aus dem Lager erworben werden können.
Der Besonderheiten sind damit immer noch nicht genug. Zum 30. Firmenjubiläum hat Rietze einen alten Schulbus erworben und in Zeit raubender liebevoller Arbeit in einen Museums-Bus umgebaut - wohlgemerkt: kein Modell, sondern einen 'echten' Bus. Auch der hat sich als Attraktion erwiesen.
Rietze-Modellbau wird heute von zwei Generationen geleitet: dem Gründer Lothar, seiner Frau Roswitha, sowie dem Junior Christian und seiner Frau Claudia, die sich beide dem Vertrieb von Sondermodellen widmen.
Das Modellauto hat wie sein großes Vorbild eine lange Vergangenheit. Der Modellbau hat sowohl den Auto- als auch den Eisenbahnbau fast von Anfang ihrer Geschichte an begleitet. Es ist nur naheliegend, dass Rietze-Modellbau längst auch eine eigene Oldtimer-Sammlung aufgelegt hat, die die Neufahrzeug-Palette ergänzt. Mal sehen, was die Zukunft bringt. Wer weiß, wie lange es noch dauert, bis der erste Tesla oder ein anderes Elektrofahrzeug auf den Straßen einer Modellbahnanlage oder in der Vitrine eines begeisterten Sammlers zu finden sein wird?
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Fotos: Busch